Alleinige Teilnahme am ärztlichen Bereitschaftsdienst für die Ausübung vertragsärztlicher Tätigkeit unzureichend

In einem aktuellen Urteil befasst sich das Sozialgericht München mit der Frage, ob ein Zulassungsentzug nach § 95 Abs. 6 SGB V aufgrund der Nichtausübung vertragsärztlicher Tätigkeit auch dann in Betracht kommt, wenn die Anzahl der vom betreffenden Arzt am Vertragsarztsitz behandelten Personen weit unterhalb des Fachgruppendurchschnitts liegt

Im Urteil vom 22. Februar 2024 – S 20 KA 481/19 – befasst sich das Sozialgericht (SG) München mit der Frage, ob ein Zulassungsentzug nach § 95 Abs. 6 SGB V i. V. m. § 27 Ärzte-ZV aufgrund der Nichtausübung vertragsärztlicher Tätigkeit auch dann in Betracht kommt, wenn die Anzahl der vom betreffenden Arzt am Vertragsarztsitz behandelten Personen weit unterhalb des Fachgruppendurchschnitts liegt.

Der Fall

Geklagt hatte ein Allgemeinarzt, der im Rahmen einer Berufsausübungsgemeinschaft hausärztlich tätig war und sich gegen die Entziehung seiner vertragsärztlichen Zulassung zur Wehr setzte. Zuvor war im Rahmen einer Überprüfung der Kassenarztzulassung durch den Zulassungsausschuss im Februar 2017 die nahezu ausschließliche Tätigkeit des Arztes im ärztlichen Bereitschaftsdienst beanstandet und auf die Sprechstundenverpflichtung des § 17 BMV-Ä hingewiesen worden. Gleichzeitig war dem betreffenden Arzt die Möglichkeit eingeräumt worden, seine vertragsärztliche Tätigkeit im Praxisbetrieb wieder aufzunehmen.

Im April 2018 hatte der Arzt glaubhaft dargelegt, weiterhin ernsthaft gewillt zu sein, seinen Versorgungsauftrag als zugelassener Vertragsarzt entsprechend auszufüllen. Als sich auch in den Folgequartalen am niedrigen Abrechnungsverhalten des Arztes keine Änderungen ergaben, entzog der Zulassungsausschuss dem Arzt im Mai 2019 seine Zulassung wegen der Nichtausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit unter Hinweis auf die niedrigen Fallzahlen im Bereich der Praxistätigkeit seit dem dritten Quartal 2016.

Der gegen den Beschluss des Zulassungsausschusses eingereichte Widerspruch des Arztes wurde vom Berufungsausschuss als unbegründet zurückgewiesen. Zur Begründung wurde unter Verweis auf die niedrigen Fallzahlen des späteren Klägers angeführt, dass die Teilnahme am ärztlichen Bereitschaftsdienst als Annex zur Niederlassung in freier Praxis den Vertragsarzt nicht vom Abhalten von Sprechstunden und von der Präsenz am Vertragsarztsitz entbinde. Der Schwerpunkt seiner Tätigkeit müsse in der vertragsärztlichen Versorgung im Praxisbetrieb liegen. Dabei sei auch auf das Überwiegenheitsgebot hinzuweisen, wonach die Tätigkeit am Vertragsarztsitz alle Tätigkeiten außerhalb des Vertragsarztsitzes in zeitlicher Hinsicht insgesamt überwiegen müsse (vgl. § 17 Abs. 1a BMV-Ä).

Die gegen den Widerspruchsbescheid gerichtete Klage blieb ebenfalls erfolglos.

Die Entscheidung

Das SG München greift in seiner Begründung die Argumente des beklagten Berufungsausschusses auf. Der ärztliche Bereitschaftsdienst sei zwar Bestandteil der vertragsärztlichen Versorgung, jedoch nur als Annex zur Niederlassung in freier Praxis (vgl. BSG, Urteil vom 11. Dezember 2013 – B 6 KA 39/12). Daher reiche die alleinige Teilnahme am ärztlichen Bereitschaftsdienst nicht aus, um den vertragsärztlichen Versorgungsauftrag auszufüllen. Die Zulassung eines Vertragsarztes erfolge für den Ort der Niederlassung (§ 95 Abs. 1 Satz 5 SGB V) verbunden mit der Verpflichtung, den Versorgungsauftrag am Vertragsarztsitz zu erfüllen. Im Übrigen sei die Tätigkeit im Bereitschaftsdienst auch ohne Zulassung als Poolarzt möglich.

Der Einwand des Arztes, er erbringe kleinere ärztliche Leistungen, die sich nicht in der Abrechnung widerspiegeln würden, da sie in die Grundpauschale fallen, rechtfertige keine andere Bewertung. Aus Sicht des Gerichts seien allein die Abrechnungsdaten ausschlaggebend, die im Rahmen der sogenannten Sammelerklärung in jedem einzelnen Quartal abgegeben wurden und deren Vollständigkeit und Richtigkeit verbindlich bestätigt wurde. Auch die vom klagenden Arzt vorgetragene intensive Altenheimbetreuung ließ sich den Abrechnungsdaten und vorgelegten Frequenzstatistiken nicht entnehmen.

Vielmehr lag der Kläger ausweislich der Abrechnungsdaten mit seinem Leistungsvolumen in 11 aufeinanderfolgenden Quartalen mit durchschnittlich 28 Fällen pro Quartal unterhalb von 10 % des durchschnittlichen Leistungsvolumens der Hausärzte, das 787 Fälle betrug. Eine Erhöhung der Fallzahlen durch den Kläger sei trotz mehrerer Hinweise und Aufforderungen im Rahmen des Verwaltungsverfahrens nicht erfolgt.

Das SG München bestätigte, dass der Zulassungsentzug nach § 95 Abs. 6 SGB V eine schwerwiegende Sanktion und einen Eingriff in die Berufsausübung nach Art. 12 GG darstelle, der einem Eingriff in die Berufswahl nahekomme. Da der Planungsbereich für Neuzulassungen aufgrund bestehender Überversorgung gesperrt ist, würde die Belassung der Zulassung beim Kläger eine Neuzulassung eines weiteren Arztes zur Erfüllung des Versorgungsauftrags im vorgeschriebenen Umfang verhindern. Insoweit sei die Zulassungsentziehung verhältnismäßig und auch erforderlich.

Fazit

Im Rahmen des ärztlichen Bereitschaftsdienstes wird die vertragsärztliche Versorgung außerhalb der üblichen Sprechstundenzeiten sichergestellt. Der Argumentation des SG München ist insoweit zuzustimmen, als die Verpflichtung zur Teilnahme am ärztlichen Bereitschaftsdienst von der Verpflichtung zur Erfüllung des vertragsärztlichen Versorgungsauftrags mit der Mindestsprechstundenverpflichtung am Vertragsarztsitz zu trennen ist.

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