Zur Eventualeinberufung der Mitgliederversammlung eines Vereins

Eine Eventualeinberufung zur Mitgliederversammlung für den Fall fehlender Beschlussfähigkeit ist nur bei entsprechender Satzungsgrundlage zulässig. Diese in der Rechtsprechung bereits in der Vergangenheit getroffene Feststellung hat das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe in seinem Beschluss vom 29. April 2024 – 19 W 21/24 (WX) – bestätigt.


Der Fall

In dem Rechtsstreit wandte sich der Antragsteller gegen die Zurückweisung der Anmeldung einer Vereinssatzungsänderung durch das zuständige Registergericht. Aus den dem Registergericht vorgelegten Unterlagen ergab sich, dass die Einladung zu der Jahreshauptversammlung (11. Juli 2023, 18:00 Uhr), auf der über die Satzungsänderung entschieden werden sollte, mit dem Zusatz versehen war, dass, sollte die erforderliche Anzahl von der Hälfte der Mitglieder nicht anwesend und somit keine Beschlussfähigkeit gegeben sein, eine weitere ordentliche Jahreshauptversammlung im direkten Anschluss am 11. Juli 2023 um 18:15 Uhr erfolgt. Die zum Zeitpunkt der Beschlussfassung geltende Vereinssatzung regelte ferner für den Fall der Abwesenheit der für eine Satzungsänderung notwendigen Hälfte der Mitglieder in der Mitgliederversammlung, dass eine weitere Mitgliederversammlung einzuberufen ist, welche dann berechtigt ist, die Satzung ohne Mitgliedermindestanzahl zu ändern. In der auf 18:00 Uhr geladenen Versammlung waren dann auch nur weniger als die Hälfte der Mitglieder erschienen; Beschlüsse wurden nicht gefasst. In der auf 18:15 Uhr anberaumten Versammlung waren weiterhin weniger als die Hälfte der Mitglieder anwesend; hier wurde dann eine Änderung der Satzung einstimmig beschlossen.

 

Das Amtsgericht wies die Anmeldung der Satzungsänderung mit der Begründung zurück, dass der satzungsändernde Beschluss nicht wirksam gefasst worden sei, weil die zu diesem Zeitpunkt geltende Satzung keine Regelung zu einer Eventualeinberufung vorgesehen habe. Gegen diesen Beschluss des Amtsgerichts legte der Antragsteller Beschwerde ein, welcher seitens des Amtsgerichts nicht abgeholfen wurde. Im Rahmen der Zurückweisung der Beschwerde verwies das Amtsgericht ergänzend darauf, dass die Satzungsänderung zudem durch eine nicht befugte Person beim Handelsregister angemeldet worden war.
 

Die Entscheidung

Das OLG Karlsruhe entschied, dass das Amtsgericht die Anmeldung der Satzungsänderung zu Recht zurückgewiesen hatte. Neben dem Umstand, dass die Anmeldung nicht durch eine hierzu befugte Person erfolgt war (dies wären vertretungsberechtigte Vorstandsmitglieder gewesen), sei das Amtsgericht ferner zu Recht davon ausgegangen, dass die Satzungsänderung nicht ordnungsgemäß beschlossen wurde. Im Rahmen der Anmeldung einer Satzungsänderung habe das Registergericht nicht nur die formelle Ordnungsmäßigkeit zu prüfen, sondern auch, ob der satzungsändernde Beschluss mit der nach dem Gesetz oder der Satzung erforderlichen Mehrheit gefasst wurde. Dies sei hier nicht der Fall gewesen, denn in der Mitgliederversammlung waren weniger als die Hälfte der Mitglieder anwesend.

Die Satzungsänderung habe auch nicht in der zweiten Mitgliederversammlung beschlossen werden können, weil die mit der ursprünglichen Einladung verbundene Eventualeinberufung zu dieser zweiten Mitgliederversammlung unzulässig gewesen sei. Eine solche Eventualeinberufung sei durch die Vereinssatzung nicht vorgesehen gewesen. Damit sei die zweite Mitgliederversammlung nicht wirksam einberufen worden, und Beschlüsse, die in einer nicht durch die Satzung zugelassenen Mitgliederversammlung gefasst worden sind, seien grundsätzlich nichtig. Dass das Verfahren der Eventualeinberufung nur dann zulässig ist, wenn die Satzung dies vorsieht, sei allgemeine Auffassung in Rechtsprechung und Schrifttum. Entsprechend ließ das OLG Karlsruhe auch die Rechtsbeschwerde nicht zu, da das Verfahren keine grundsätzlichen oder einer Rechtsfortbildung zugänglichen Fragen aufwerfe, sondern die Frage, ob die Eventualeinberufung zu einer Mitgliederversammlung nur auf geeigneter satzungsrechtlicher Grundlage stattfinden darf, in Rechtsprechung und Schrifttum hinreichend geklärt sei.
 

Praxis-Hinweis

Die Satzung eines Vereins hat Bestimmungen über Voraussetzungen und Form der Einberufung einer Mitgliederversammlung zu enthalten (§ 58 Nr. 4 BGB). Enthält die Satzung keine entsprechenden Regelungen zu der Möglichkeit einer Eventualeinberufung, ist diese für den jeweiligen Verein nicht vorgesehen. Eine Ausnahme von der satzungsmäßigen Grundlage für eine Eventualeinberufung ist nur in Sonderfällen möglich, z. B. wenn eine Versammlung zum angekündigten Termin aus Gründen des öffentlichen Rechts nicht stattfinden darf (siehe LG Potsdam, Urteil vom 15. August 2022 – 8 O 160/21, „pandemiebedingte Verschiebung“). Soweit die Satzung allerdings eine Regelung zur Eventualeinberufung vorsieht, ist diese als eine zulässige Form der Einberufung anzusehen. Durch eine solche Einberufung haben die Mitglieder ausreichend Gelegenheit, sich auf die Möglichkeit der zweiten Versammlung einzurichten. Ein schutzwürdiger Anspruch, es zunächst auf das Scheitern der Versammlung an fehlender Beschlussfähigkeit ankommen zu lassen, um ein weiteres Mal mit zeitlichem Abstand in einer Wiederholungsveranstaltung entscheiden zu können, besteht nicht.

Sollte ein Verein die Möglichkeit einer Eventualeinberufung zu einer Mitgliederversammlung mit geringeren Anforderungen an die Beschlussfähigkeit im direkten Anschluss an eine erste Mitgliederversammlung wünschen, ist dies ausdrücklich in die Vereinssatzung aufzunehmen und überdies zu regeln, in welcher Form zu einer solchen „Anschlussveranstaltung“ einzuladen ist. Unabhängig von der Frage der Eventualeinberufung sollte in Vereinssatzungen ferner immer eine Regelung enthalten sein, die den Fall erfasst, dass in einer Mitgliederversammlung die Anforderungen an die Beschlussfähigkeit nicht gegeben sind. Damit begegnet man der Gefahr einer (dauerhaften) Beschlussunfähigkeit („Lähmung des Vereins durch inaktive Mehrheit“). Bei Vorliegen einer Satzungsregelung, die „nur“ die Einberufung einer zweiten Versammlung bei Beschlussunfähigkeit und nicht die Möglichkeit einer Eventualeinberufung zu einer direkten Folgemitgliederversammlung vorsieht, ist darauf zu achten, dass die Einberufung der zweiten Versammlung immer erst nach Feststellung der Beschlussunfähigkeit der ersten Versammlung erfolgt.

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