Keine Steuerschuld bei falschem Umsatzsteuerausweis in Rechnungen an Endverbraucher – positive Entwicklung bei Fertigarzneimitteln

Das mit Spannung erwartete Schreiben des Bundesministeriums für Finanzen (BMF) zum unrichtigen oder unberechtigten Umsatzsteuerausweis bei Rechnungserteilung gegenüber Endverbrauchern – III C 2 - S 7282/19/10001 :002 – ist am 27. Februar 2024 veröffentlicht worden. Die Problematik des § 14c UStG und der erforderlichen Rechnungskorrekturen für Vorjahre bei der Abrechnung von Fertigarzneimitteln durch Krankenhausapotheken dürfte sich nun deutlich entschärfen.


Aktuelle Situation

Viele Krankenhausapotheken müssen sich derzeit mit der Problematik einer Steuerschuld nach § 14c UStG und der Rechnungsberichtigung gegenüber den Krankenkassen auseinandersetzen, denn die umsatzsteuerliche Beurteilung der Abgabe von Fertigarzneimitteln hat sich grundlegend geändert: In früheren Jahren hatte die Finanzverwaltung die Abgabe von nicht patientenindividuell hergestellten Medikamenten durch ermächtigte Krankenhausambulanzen oder durch eine Krankenhausapotheke an Patienten im Rahmen der ambulanten Behandlung im Krankenhaus regelmäßig als umsatzsteuerpflichtig mit dem Steuersatz von 19 % behandelt. Aufgrund einschlägiger Rechtsprechung zur ertragsteuerlichen Behandlung von Medikamentenabgaben (patientenindividuell hergestellte Medikamente), wurde von der Finanzverwaltung in Einzelfällen bei der Abgabe von Fertigarzneimitteln der ermäßigte Steuersatz gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 8a UStG gewährt, sofern die Arzneimittelabgabe dem steuerbegünstigten Zweckbetrieb nach § 67 AO zugeordnet werden konnte. Die Gewährung des ermäßigten Steuersatzes wurde allerdings seitens der Finanzverwaltung bzw. Betriebsprüfer unterschiedlich gehandhabt.

Erst mit dem BMF-Schreiben vom 13. Dezember 2022 – III C 3 – S 7170/20/10001 :001 – gab die Finanzverwaltung ihre bisherige Sichtweise zur Umsatzsteuerpflicht auf. Seit dem 1. Januar 2023 ist die Abgabe von nicht patientenindividuell hergestellten Medikamenten durch ermächtigte Krankenhausambulanzen oder durch eine Krankenhausapotheke an Patienten im Rahmen der ambulanten Behandlung im Krankenhaus grundsätzlich umsatzsteuerfrei zu behandeln. Maßgeblich ist die ärztliche Entscheidung über die Notwendigkeit der Behandlung. Für die Vorjahre wurde eine Nichtbeanstandungsregelung getroffen, wonach die steuerpflichtige Behandlung von Umsätzen, die vor dem 1. Januar 2023 ausgeführt wurden, zugelassen wird. Dabei ist der ermäßigte Steuersatz anzuwenden, wenn die Abgabe durch ein steuerbegünstigtes Krankenhaus erfolgt.

Aus Sicht der Finanzverwaltung schulden die Krankenhausträger die in Vorjahren zu hoch ausgewiesene Umsatzsteuer nach § 14c Abs. 1 UStG. Um einen Rückerstattungsanspruch aufgrund der günstigeren umsatzsteuerlichen Beurteilung der Fertigarzneimittellieferungen gegenüber dem Finanzamt geltend machen zu können, erfordert die Regelung des § 14c Abs. 1 UStG, dass zunächst die Rechnung zu berichtigen und der Mehrbetrag an die Krankenkassen als Rechnungsempfänger zurückzuzahlen ist. Nur im Hinblick auf die Abrechnungen gegenüber den privaten Krankenkassen wurden Vereinfachungsregelungen zugelassen. Rechnungskorrekturen sind aber allein aufgrund der Vielzahl an Rechnungen über einen Zeitraum von mehreren Jahren und durch die Abwicklung über zwischengeschaltete Abrechnungsdienstleister sehr aufwendig und führen vorab zu einem Liquidationsabfluss auf Seiten der Krankenhäuser.
 

Inhalt des BMF-Schreibens

Die Finanzverwaltung hat nun das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 8. Dezember 2022 – C-378-21 – in den Anwendungserlass zur Umsatzsteuer übernommen und klargestellt, dass die Umsatzsteuer nicht nach § 14c UStG geschuldet wird, wenn die Rechnung gegenüber einem Endverbraucher erteilt wurde. In dem entschiedenen Fall hatte ein österreichischer Unternehmer einen Indoor-Spielplatz betrieben und Kleinbetragsrechnungen mit einem zu hohen Umsatzsteuersatz ausgestellt. Da die Rechnungsempfänger sämtlich Privatpersonen waren, ging der EuGH von keiner Gefährdung des Steueraufkommens aus.

Gemäß BMF kann die EuGH-Rechtsprechung sowohl für die von § 14c Abs. 1 UStG umfassten Fälle des unrichtigen Steuerausweises als auch für den unberechtigten Steuerausweis durch einen Kleinunternehmer im Sinne des § 14c Abs. 2 UStG übernommen werden. Das gilt jedoch nur dann, wenn die Rechnung an einen Endverbraucher im Sinne des EuGH-Urteils ausgestellt wurde. Dazu zählen Nichtunternehmer und Unternehmer, die nicht als solche handeln. Das sind insbesondere Unternehmer mit einem Leistungsbezug für ihren privaten Bereich oder für eine sogenannte nichtwirtschaftliche Tätigkeit im engeren Sinne. Zu den nicht wirtschaftlichen Tätigkeiten im engeren Sinne werden auch die hoheitlichen Tätigkeiten einer juristischen Person des öffentlichen Rechts gezählt. Ob der Rechnungsempfänger ein Endverbraucher in diesem Sinne ist, muss der leistende Unternehmer nachweisen. Kann dies nicht hinreichend sicher beurteilt werden, ist auch keine Schätzung möglich. Allerdings kann die Art der erbrachten Leistung berücksichtigt werden, wenn daraus ableitbar ist, dass es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit um Leistungen für den privaten Gebrauch handelt. Das BMF verweist dazu auf den Leistungskatalog in Abschnitt 3a.2 Abs. 11a UStAE. Sind die genannten Voraussetzungen erfüllt, entsteht keine Steuerschuld nach § 14c UStG.


Abrechnung von Fertigarzneimitteln

Das BMF-Schreiben geht nicht explizit auf die Problematik des § 14c Abs. 1 UStG bei Arzneimittellieferungen ein, dennoch ist das EuGH-Urteil aus unserer Sicht anwendbar. Im Bereich der gesetzlich versicherten Patienten handelt es sich bei den Rechnungsempfängern um Krankenkassen, die rechtsfähige Körperschaften des öffentlichen Rechts sind und im Hinblick auf die Kostenübernahme für die Arzneimittellieferungen hoheitlich tätig werden, somit nichtwirtschaftliche Tätigkeiten im engeren Sinne ausüben. Bei Privatpatienten ist unstreitig vom Endverbraucher auszugehen. Bei den abgerechneten Leistungen handelt es sich zudem um Krankenhausbehandlungen und ärztliche Heilbehandlungen bzw. um damit eng verbundene Umsätze, die gemäß Katalog in Abschnitt 3a.2 Abs. 11a UStAE mit hoher Wahrscheinlichkeit für den privaten Gebrauch ausgeführt werden. Insofern sind die Rechnungsempfänger Endverbrauchern im Sinne des EuGH-Urteils.


Praxis-Hinweis

Insbesondere für alle offengehaltenen Veranlagungszeiträume, für die eine Steuerschuld nach § 14c UStG an die Finanzverwaltung abgeführt wurde, sollten nunmehr unter Bezugnahme auf das BMF-Schreiben Änderungsanträge gestellt und die Auszahlung der Mehrbeträge nach § 14c UStG gefordert werden. Auf vorherige Rechnungskorrekturen gegenüber den Krankenkassen kann unseres Erachtens nunmehr verzichtet werden. Sollten Sie diesbezüglich Unterstützung benötigen, stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung. Das BMF-Schreiben umfasst selbstverständlich auch andere Sachverhalte des überhöhten Steuerausweises gegenüber Endverbrauchern. Dazu können etwa Kleinbetragsrechnungen in Krankenhaus- oder Altenheim-Cafeterien zählen, wenn trotz des ermäßigten Steuersatzes aufgrund der Corona-Erleichterungen weiterhin der Regelsteuersatz in Rechnung gestellt wurde. Abschließend ist darauf hinzuweisen, dass mittlerweile in dem Ausgangsverfahren zu dem EuGH-Urteil vom 8. Dezember 2022 ein erneutes Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH gerichtet worden ist (C-794/23). Die Finanzverwaltung hat bereits darauf hingewiesen, dass die Verwaltungsauffassung entsprechend anzupassen wäre, falls sich aus diesem Verfahren im Vergleich zum BMF-Schreiben eine andere rechtliche Würdigung des EuGH ergeben würde.

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Steuerberater, Geschäftsführender Partner (Stellv. Sprecher der Geschäftsführung)
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Steuerberaterin, Partnerin, Leitung KompetenzTeam Steuern Köln

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