Umsatzsteuerfreiheit von Fertigarzneimitteln ab 1. Januar 2023 – umgehender Handlungsbedarf zum Jahresende

Ganz knapp vor Jahresende hat sich das Bundesministerium der Finanzen mit Schreiben vom 13. Dezember 2022 (III C 3 – S 7170/20/10001 :001, 2022/1203355) zur umsatzsteuerlichen Behandlung von Fertigarzneimitteln neu positioniert und seine bisherige Auslegung des § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG in diesem Zusammenhang durch Anpassung des Umsatzsteueranwendungserlasses aufgegeben.

Die umsatzsteuerliche Beurteilung der Abgabe von Fertigarzneimitteln durch Krankenhausapotheken stand schon länger auf dem Prüfstand und war immer wieder Gegenstand aktueller Rechtsprechung. Wir berichteten zuletzt in unserer Ausgabe 3/2022 der Solidaris-Information über die aktuellen Entwicklungen, nachdem sich sowohl Finanzgerichte als auch Sozialgerichte mit der Thematik befassen mussten und sich Hinweise auf eine Umsatzsteuerfreiheit verdichteten (vgl. zur Umsatzsteuerfreiheit FG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 20. Oktober 2021 – 3 K 1024/17 oder zu möglichen Erstattungsansprüchen von Umsatzsteuer der Krankenkassen BSG, Beschluss vom 10. November 2021 – B 1 KR 5/21 B).

Bisherige Auffassung

Gemäß Verwaltungsauffassung handelte es sich bei der Abgabe von nicht patientenindividuell hergestellten Medikamenten durch ermächtigte Krankenhausambulanzen oder durch eine Krankenhausapotheke an Patienten im Rahmen der ambulanten Behandlung im Krankenhaus bisher nicht um eng mit der Krankenhausbehandlung bzw. ärztlichen Heilbehandlung verbundene Umsätze. Diese waren infolgedessen umsatzsteuerpflichtig mit 19% oder bei Zuordnung zum Zweckbetrieb nach § 67 AO mit dem ermäßigten Steuersatz gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 8a UStG zu besteuern.

Neuregelung ab 1. Januar 2023

Unter Beachtung der Rechtsprechung zur Verabreichung von Zytostatika (BFH, Urteil vom 24. September 2014 – V R 19/11) und zur Abgabe sog. Faktorpräparate im Rahmen des Krankenhauszweckbetriebes (BFH, Urteil vom 18. Oktober 2017 – V R 46/16) haben sich die obersten Finanzbehörden der Länder nunmehr darauf verständigt, dass die Abgabe durch eine Krankenhausapotheke von nicht patientenindividuell hergestellten Fertigarzneimitteln als ein mit der ärztlichen Heilbehandlung eng verbundener Umsatz gemäß § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG von der Umsatzsteuer zu befreien ist, sofern es sich um einen integralen Bestandteil der Therapie handelt und im Rahmen der ambulanten Behandlung zur Erreichung der therapeutischen Ziele unentbehrlich ist. Maßgeblich ist die ärztliche Entscheidung über die Notwendigkeit der Behandlung. Dazu zählt auch die Abgabe von Medikamenten im Rahmen der integrierten Versorgung nach § 140a SGB V von einem Krankenhaus an einen anderen Vertragspartner zur Durchführung von Heilbehandlungen im Rahmen dieses Vertrages.

Darüber hinaus kann die Abgabe von Fertigarzneimitteln auch eine unselbständige Nebenleistung zu der nach § 4 Nr. 14 Buchst. a oder b UStG umsatzsteuerfreien Heilbehandlung darstellen, wenn diese für die Heilbehandlung unentbehrlich ist, das heißt wenn die ärztliche Leistung ohne diese Medikamentengabe nicht erfolgversprechend wäre. Hierzu zählen etwa die Verabreichung von schmerzstillenden oder entzündungshemmenden Medikamenten durch den behandelnden Arzt.

Anwendungszeitraum

Ab dem 1. Januar 2023 sind die diesbezüglichen Umsätze daher nach Verwaltungsauffassung umsatzsteuerfrei zu behandeln. Angesichts des Zeitpunktes der Veröffentlichung des BMF-Schreibens bleibt jedoch bis zum 1. Januar 2023 nur äußerst wenig Zeit, die erforderlichen Anpassungen für die Abrechnung der Fertigarzneimittel umzusetzen. 

Die Grundsätze des BMF-Schreibens sind des Weiteren in allen offenen Fällen anzuwenden.

Die Finanzverwaltung hat jedoch eine Nichtbeanstandungsregelung getroffen, wonach eine umsatzsteuerpflichtige Behandlung von Umsätzen, die vor dem 1. Januar 2023 ausgeführt wurden, zulässig ist.

Zudem wird darauf verwiesen, dass bei Inanspruchnahme der Nichtbeanstandungsregelung der ermäßigte Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG anzuwenden ist, sofern die Abgabe innerhalb des Krankenhauszweckbetriebes nach § 67 AO erfolgt ist.

Zum Wegfall des Vorsteuerabzuges bei Umsatzsteuerfreiheit und zur Möglichkeit der Rechnungsberichtigung wegen des unrichtigen Ausweises der Steuer nach § 14c Abs. 1 UStG wird auf das BMF-Schreiben zur umsatzsteuerlichen Behandlung von Zytostatika vom 28. September 2016 (III C 3 – S 7170/11/10004, 2016/0883539) verwiesen.

Da gegenüber Privatpatienten eine Rechnungsberichtigung im Falle eines offenen Umsatzsteuerausweises gegebenenfalls aufgrund des Zeitablaufs nicht mehr in Frage kommt, sieht die Finanzverwaltung hierzu eine Billigkeitsregelung zur vereinfachten Rechnungsberichtigung im Wege eines zivilrechtlichen Vergleichs zwischen dem Krankenhaus und der PKV vor. Zu beachten ist, dass bei unterstellter Umsatzsteuerfreiheit die Umsatzsteuerberichtigung im Jahr der Rechnungsberichtigung vorzunehmen ist, während die Vorsteuerkorrektur der nun nicht mehr abziehbaren Vorsteuer im ursprünglichen Jahr des Vorsteuerabzugs zu erfolgen hat. Für die Berücksichtigung ist die vorherige Zahlung des Vergleichsbetrages an die private Krankenkasse erforderlich.

Akuter Handlungsbedarf

Zunächst ist darauf zu achten, dass grundsätzlich ab dem 1. Januar 2023 die Abrechnung der Fertigarzneimittel ohne Ausweis von Umsatzsteuer mit dem Hinweis auf Umsatzsteuerfreiheit zu erfolgen hat, da ansonsten die offen ausgewiesene Umsatzsteuer nach § 14c Abs.1 UStG geschuldet wird. Die Umstellung sollte so schnell wie möglich mit den beteiligten Abrechnungsdienstleistern geklärt werden. Hinsichtlich der Preisgestaltung ist zu prüfen, ob der jeweils aktuell geltende Krankenhausapothekenvertrag nach § 129a SGB V bereits Regelungen zur Kompensation des bei Umsatzsteuerfreiheit wegfallenden Vorsteuerabzuges in Form von Zuschlägen enthält. Auch bei der Abrechnung von Fertigarzneimitteln für Privatpatienten ist darauf zu achten, dass der fehlende Vorsteuerabzug bei der Preisgestaltung berücksichtigt wird. Insofern empfehlen wir, die Abrechnung ab dem 1. Januar 2023 auch mit dem Sie beratenden Rechtsanwalt oder Steuerberater abzustimmen.

Steuerlicher Handlungsbedarf ergibt sich zudem auch für bereits vergangene Veranlagungszeiträume. Insbesondere in den Fällen, in denen noch der Regelsteuersatz von 19% auf Fertigarzneimittel angewandt wurde, ist darauf zu achten, dass die Veranlagungen offengehalten und die Steuerbescheide nicht bestandskräftig werden. Auch die ertragsteuerliche Behandlung der Fertigarzneimittel ist in diesem Zusammenhang noch einmal zu prüfen, sofern bisher keine Zuordnung zum Zweckbetrieb erfolgte (vgl. AEAO zu § 67 AO). Hinsichtlich der Gestaltung ist Ihre konkrete Fallkonstellation von Bedeutung; gerade in Fällen der Fremdbelieferung wirft das BMF-Schreiben Fragen auf, die noch geklärt werden müssen. Eine einheitliche Handhabung kann daher keinesfalls empfohlen werden.

Bitte stimmen Sie sich daher hinsichtlich Veranlagung, Rechnungsberichtigung und jedem sonstigen weiteren Vorgehen gegenüber den Krankenkassen unbedingt mit Ihrem steuerlichen und mit ihrem rechtlichen Berater ab.

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Steuerberaterin, Partnerin, Leitung KompetenzTeam Steuern Köln
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Steuerberater, Geschäftsführender Partner (Stellv. Sprecher der Geschäftsführung)
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Rechtsanwalt, Partner, Leitung KompetenzTeam Kirche/Orden/Caritas/ Diakonie

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